vdp übt in Stellungnahme deutliche Kritik an BaFin-Vorschlägen

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) zeigt sich unzufrieden mit den jüngst von der BaFin zur Konsultation gestellten Vorschlägen zur Novellierung der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV).

„Die BaFin verfehlt ihr selbst gestecktes Ziel, die BelWertV an die Marktrealität anzupassen.“ Vielmehr erreiche die Novelle das genaue Gegenteil und entferne die BelWertV noch weiter von der Realität, stellte vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt fest und warnte: „Sollten die Regeln so verabschiedet werden, würde die Chance zur dringend notwendigen Erneuerung der Immobilienbewertung ungenutzt verstreichen.“

Viele der von der Aufsicht vorgeschlagenen Änderungen erhöhen entweder den ohnehin großen Dokumentations- und Rechercheaufwand der Beleihungswertermittlung in den Kreditinstituten oder führen zu noch niedrigeren Beleihungswerten als bislang, kritisiert der vdp. Die Schere zwischen Markt- und Beleihungswerten würde so noch weiter auseinandergehen, pfandbriefdeckungsfähige Kreditanteile würden weiter schrumpfen.

Vor dem Hintergrund, dass Beleihungswerte in der bisherigen Methodik stets stabilisierend für den Pfandbrief waren und selbst in extremen Marktphasen wie der Finanzkrise 2008/2009 oder der aktuellen Pandemie grundsätzlich Bestand hatten bzw. haben, ist nicht zu erklären, warum die BelWertV nun in vielen Punkten noch verschärft werden soll. Zumal viele der vorgeschlagenen Maßnahmen zu ein- und demselben Ergebnis führen: dass der Beleihungswert weiter sinkt. Dieses Vorgehen lehnt der vdp strikt ab:

„Es entsteht der Eindruck, dass ein und dasselbe Risiko – sinkende Immobilienpreise – aus vielen unterschiedlichen Richtungen adressiert wird. Das kann nicht sein“, so Tolckmitt.

Die Deutsche Kreditwirtschaft, für die der vdp die fachliche Federführung bei der Analyse der BelWertV-Novelle innegehabt hatte, übermittelte der BaFin zum Ende der Anhörungsfrist am Freitag eine umfangreiche Stellungnahme. Die wesentlichen Kritikpunkte sind dabei die folgenden:


Kritikpunkt 1: Mindestkapitalisierungszinssätze
„Festhalten an Zinssätzen aus den 1960er Jahren nicht nachvollziehbar“

Die größte Kritik richtet sich gegen die Berechnungsparameter und hier vor allem gegen die Mindestkapitalisierungszinssätze. „Das Festhalten an Kapitalisierungszinssätzen aus den 1960er Jahren ist nicht nachzuvollziehen. Zumal die COVID-19-Krise, der größte Stresstest seit Jahrzehnten für die Immobilienbranche, eben nicht zu dem befürchteten Preisverfall geführt hat.“

Die langjährige Preisentwicklung am Immobilienmarkt und das Auseinanderlaufen von Markt- und Beleihungswert blieben auch in der Pandemie bestehen. Heute machen Beleihungswerte häufig nicht einmal 50% der Marktwerte aus. Bei der Refinanzierung über Pfandbriefe kommt hinzu, dass vom Beleihungswert nur 60% für die Pfandbriefdeckung herangezogen werden dürfen, also lediglich 30% des Marktwerts.

„Da sind die aktuellen – bzw. die durch die Novelle sogar zukünftig noch größeren – Abstände zwischen Markt- und Beleihungswert dann erst recht nicht mehr mit Sicherheits- und Nachhaltigkeitserwägungen zu rechtfertigen“, stellte Tolckmitt heraus.

Die von der BaFin lediglich eingeräumte Absenkungsmöglichkeit für erstklassige Immobilien, die nun auf mehrere Assetklassen erweitert werde, springe deutlich zu kurz:

„Es wäre ohne weiteres vertretbar, die Ausgangssätze für die Mehrzahl der Assetklassen um jeweils einen Prozentpunkt zu reduzieren – auf Sätze zwischen 4% und 5,5%. Damit wären wir immer noch nicht ansatzweise in der Nähe der heutigen Marktzinssätze. Der Sicherheitspuffer wäre also weiterhin sehr auskömmlich.“

Der vdp bekräftigt, dass die breite Akzeptanz des Beleihungswerts vor allem auf seiner Stabilität in zyklischen Marktphasen beruhe. Eine Anpassung der Mindestkapitalisierungszinssätze sei nun aber gerechtfertigt:

„Der mittlerweile lange, konstante und zudem fundamental erklärbare Anstieg der Marktwerte deutet keineswegs auf eine Hochphase eines normalen Immobilienzyklus hin. Wir haben es mit dauerhaft veränderten Marktbedingungen zu tun, vor allem bedingt durch das langfristige Niedrigzinsumfeld. Vor dieser Entwicklung darf die Aufsicht bei der Novellierung der BelWertV nicht die Augen verschließen“, mahnte Tolckmitt.

Er verwies dabei unter anderem auf das am 8. Juli 2021 ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den von den Finanzämtern erhobenen Zinsen auf Steuernachforderungen: Darin hatte das BVerfG Verzugszinsen von 6% pro Jahr zumindest seit 2014 als „evident realitätsfern“ eingestuft. Sie müssen nun vom Gesetzgeber angesichts des langfristig geltenden Niedrigzinsumfelds signifikant nach unten korrigiert werden.


Kritikpunkt 2: Statistische Bewertungsverfahren
„Zulassung ist auch für das Massengeschäft dringend geboten“

Dass statistische Bewertungsverfahren zugelassen werden sollen, beurteilt der vdp zunächst positiv: „Gut, dass die Digitalisierung Einzug in die BelWertV hält“, erklärte Tolckmitt. „Das war auch überfällig. Insbesondere in skandinavischen Ländern sind statistische Verfahren schon seit vielen Jahren Standard in der kreditwirtschaftlichen Wertermittlung.“ Nicht zu verstehen sei aber die Beschränkung auf den Kleindarlehensbereich, denn ein erheblicher Teil des Massengeschäfts liege über dieser Grenze.

„Viele datenbankgestützte Bewertungsprozesse basieren auf solidem wissenschaftlichem Fundament und riesigen Datenpools und müssen deshalb für alle standardisierbaren Immobilienarten zugelassen werden.“


Kritikpunkt 3: Kleindarlehensgrenze
„Weitere Anhebung der Kleindarlehensgrenze überlegenswert“

Die Anhebung der Kleindarlehensgrenze von 400.000 auf 500.000 Euro begrüßt der vdp grundsätzlich. „Die neue Kleindarlehensgrenze berücksichtigt aber immer noch nicht die Realitäten auf vielen regionalen Wohnungsmärkten“ gab Tolckmitt zu bedenken: Die übliche Eigenheimfinanzierung geht dort weit über den Kleindarlehensbereich hinaus. Eine Anhebung der Kleindarlehensgrenze auf 600.000 Euro halten wir daher für sachgerecht.“

Laut vdp-Eigenheimerhebung würden – über alle Regionen Deutschlands hinweg – 12,7% der Finanzierungen von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen nach wie vor über einer Kleindarlehensgrenze von 500.000 Euro liegen, in Metropolen sogar 22,8%. Selbst bei einer Anhebung auf 600.000 Euro würde der prozentuale Anteil der Finanzierungen, die oberhalb dieser Grenze liegen, mit 6,8% bzw. 13,2% immer noch deutlich höher sein als im Jahr 2009 bei der damals wie heute geltenden Grenze von 400.000 Euro (3,4% bzw. 5,8%).


Kritikpunkt 4: Bewirtschaftungskosten
„Höhere Abzüge bedeuten noch niedrigere Beleihungswerte“

Die BelWertV sieht bislang vor, dass bei der Bewertung von Ertragsimmobilien Bewirtschaftungskosten in Höhe von mindestens 15% bezogen auf den Rohertrag abgezogen werden müssen. Als Bewirtschaftungskosten gelten Verwaltungs- und Instandhaltungskosten, Mietausfallwagnis, Modernisierungsrisiko und nicht-umlegbare Betriebskosten.

Die BaFin plant nun, das Modernisierungsrisiko und die nicht-umlegbaren Betriebskosten aus dem 15%-Mindestansatz herauszunehmen, so dass diese noch zusätzlich abgezogen werden müssten. „Besonders für Betreiberimmobilien wie Hotels und Einkaufszentren würde die Neuregelung zu erheblichen Zusatzabzügen und damit am Ende noch niedrigeren Beleihungswerten führen. Das wäre weder sinnvoll noch sachgemäß“, warnte Tolckmitt.

„Es stellt sich die Frage, warum die Stellschraube gerade bei diesen beiden Objektklassen angesetzt wird. Erfolgt dies auch hier einfach nur mit der Intention, den Beleihungswert weiter zu senken? Sachliche Gründe sind für diesen Schritt jedenfalls nicht erkennbar.“


Kritikpunkt 5: Administrativer Aufwand bei der Wertüberprüfung
„Zusätzlicher administrativer Aufwand für die Banken vermeiden“

Die Vorschläge der BaFin sehen darüber hinaus vor, dass die Banken einen jährlichen Überprüfungsmechanismus der Grundlagen für die Beleihungswertermittlung zu etablieren haben. Die Formulierung geht dabei weit über die Anforderungen der Capital Requirements Regulation (CRR) hinaus und widerspricht der BaFin-seitigen Begründung für diese Änderung, wonach lediglich eine Anpassung an die CRR bezweckt werde. Tolckmitt:

„In Summe ist für die Banken ein massiver Mehraufwand in der Administration zu befürchten.“ Dieser müsse unbedingt vermieden werden, da er sich letztlich auf die Finanzierungskonditionen auswirken würde.

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