Meine Zeit bei CBRE Singapore
Am 05. Oktober ging es endlich los, auf nach Frankfurt zum Flughafen, zwölf Stunden Flug und drei Wochen Singapur liegen vor mir. Was ich wohl alles erleben werde und welche Mentalität die Asiaten wohl haben, wie wird es dort im Büro sein und was wird es alles in Singapur zu entdecken geben? Viele Fragen, die nach einer Antwort suchen. Sicherlich wird es spannend. Meine grundsätzliche Idee war es, einen genauen Plan von Singapur und all dem zu haben, was es zu entdecken gilt, bevor ich losfliege. Wie bei allen anderen Sachverständigen auch, die in Urlaub gehen, war vor meiner Abreise so viel zu tun, vieles musste noch fertig und raus, dass ich es nicht einmal geschafft hatte, in meinen Reiseführer zu schauen. Was soll's, dachte ich, immerhin habe ich einen Reiseführer und im Flieger wird ja genug Zeit sein.
In Singapur angekommen bin ich erst einmal überwältigt von dem vorhandenen Mix an Kulturen und Religionen, der Architektur und Stadtplanung, der überall integrierten Gebäudebegrünung und den vielen Parkanlagen, der Instandhaltung und Pflege generell, der Sauberkeit und der Beschilderung, dem autonom fahrenden U-Bahnnetz und der öffentlichen Lightshows. Zudem hat man sich bei allen Touristenattraktionen etwas Besonderes einfallen lassen. Ich bin schon viel gereist und hab einiges gesehen, aber Singapur ist wirklich einzigartig. Aber dazu später. Kommen wir erst einmal zu meinen beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen in Singapur:
Im Hauptbüro bei CBRE im Financial District in Singapur sind etwa 250 Mitarbeiter in den Bereichen Advisory & Transaction Services, Asset Services, Capital Markets, Global Workplace Solutions, Investment Management und Valuation & Advisory Services beschäftigt. Insgesamt arbeiten hier in Singapur etwa 1300 Menschen inklusive aller Objektmanager des Facility Managements für CBRE.
Meine Arbeitstage beginnen um 9:00 Uhr und enden um 17:30 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Das war meine einzige Info, die ich vorab hatte, als ich mich an meinem ersten Arbeitstag morgens vom Hotel aus zu Fuß auf den Weg zum Büro machte. Aufgrund des Jetlags hatte ich gerade einmal 2 Stunden geschlafen. Es hat auch tatsächlich eine ganze Woche gedauert, bis ich im richtigen Tag- Nacht-Rhythmus war. Als Tourist ist das sicherlich einfacher sich einzupendeln ganz ohne feste Termine.
In der Eingangshalle angekommen wartete ich auf die Dinge, die da so passieren und ich wurde gegen 9:00 Uhr von meiner Mentorin und Executive Directorin der Valuation Abteilung Hwee Yan Sim mit einem temporären Mitarbeiterpass abgeholt. Diese Chipkarte sollte mich die nächsten drei Wochen begleiten, da in diesem Bürogebäude keine Tür oder Schranke ohne diesen Ausweis passiert werden konnte. Selbst das stille Örtchen schien ein Sicherheitsbereich zu sein. Wer weiß, vielleicht ist das in den Bürotürmen in Frankfurt auch so, meine Arbeitsrealität spielt sich jedoch im idyllischen Schwarzwald ab.
In der Bewertungsabteilung im 33. Stock des Gebäudes angekommen ist der gesamte Bürobereich als Open Space gehalten. Es sind Doppelreihen an langen Arbeitstischen, an denen jeweils vier Leute pro Reihe sitzen, eingerichtet. Jeder Arbeitsplatz ist mit Bildschirm, Telefon, Docking Station für den Laptop, Tastatur und Maus ausgestattet. Im Prinzip kann jeder jeden Tag einen anderen Platz einnehmen. Die Bewertungsabteilung hat sich allerdings dazu entschlossen einigermaßen zusammenzusitzen, damit sie sich nicht immer per Messenger suchen müssen. Der Abteilungsleiter, James Crawford, ebenfalls Executive Director der Bewertungsabteilung, kommt gebürtig aus Australien und ist vor 10 Jahren nach Singapur gekommen. Da er die Jetlag-Problematik kennt, hat er mir als erstes die Schweizer Jura-Kaffeemaschine im Küchenbereich gezeigt, sehr sympathisch, wie ich fand.
In der Bewertungsabteilung von CBRE arbeiten 15 Mitarbeiter, wovon 2 leitende Angestellte als Executive Director (Hwee Yan Sim) und Exectutive Director und Head of Office (James Crawford) fungieren. Des Weiteren gibt es einen ehemaligen, langjährigen Mitarbeiter (Li Hiaw Ho), der mittlerweile in Rente ist und vormittags in part-time als Advisor arbeitet. Zudem sind zehn weitere Gutachter und 2 Sekretärinnen angestellt.
Die zwei bzw. drei leitenden Seniors kümmern sich um die Bewertung der Shopping Center, Industrials, und um die Bewertung der Prestigeobjekte. Alle erstellten Gutachten werden von Ihnen Korrektur gelesen und neben der Gutachterunterschrift zusätzlich von ihnen unterschrieben. Von den zehn Gutachtern kümmern sich zwei um Hotelbewertung, einer um Data Centers, drei um Beleihungswerte und die restlichen vier um Standardimmobilien.
Grundsätzlich fällt mir auf, dass hier sehr wenig telefoniert wird, was bei mir die Frage aufwirft, wo bekommen die Valuer ihre ganzen Daten für die Bewertung her? Des Weiteren wird hier sehr wenig mit Papier gearbeitet. Ob sich die Digitalisierung hier in Asien wohl bereits auf einem ganz anderen Level befindet?
Die Bewertungen werden hier im Vergleichswertverfahren abgehandelt, es sei denn es sind einmalige Neubauprojekte besonderer Architektur für die es keine Vergleichsmöglichkeiten gibt, wie beispielsweise der sich derzeit im Bau befindliche neue Komplex „Jewel at Changi Airport“, welcher in 2019 fertiggestellt und eröffnet wird.
Ausführliche Infos zu dem Projekt sind für alle im Internet zu finden.
Kurz zusammengefasst besteht der Komplex aus Gärten und Attraktionen, einem Hotel, Aviation Facilities und 300 Shops und Restaurants. Der Komplex hat eine Fläche von 134.000 m2 über 10 Stockwerke verteilt, von denen 5 oberirdisch und 5 unterirdisch angelegt sind. Die Attraktionen werden der weltgrößte Indoor-Wasserfall sein, ein Indoor Gartenwald über 5 Stockwerke und ein Canopy-Park. Dieser Bewertungsfall wird erst mal auf Basis der Baukosten bewertet und immer wieder an den aktuellen Bautenstand aktualisiert.
Kommen wir nun zu einem einfachen Bewertungsfall im Vergleichswertverfahren, einem Apartment in Singapur. Der Wohnimmobilienmarkt besteht hier zu 80 % aus sozialem Wohnungsbau, die sogenannten HDB-Apartments, die überwiegend alle gleich geschnitten und ausgestattet sind, abhängig von der Anzahl der Zimmer. Somit mangelt es in der Bewertung keinesfalls an Vergleichsobjekten. Die restlichen 20% des Wohnimmobilienmarktes bestehen aus den sogenannten „Condos“. Dies sind private gemeinschaftliche Wohnanlagen (Condominiums). Sie verfügen oftmals über zusätzliche Annehmlichkeiten wie Swimming Pool, Fitnessstudio, Grillbereich, Tennisplatz oder beispielsweise eine Sauna. Ob man diese nun bei den Temperaturen hier in Singapur braucht, sei dahingestellt, aber ein Swimming-Pool ist sicherlich „nice to have“. Vergleichsdaten bekommt jeder von uns freizugänglich auf der Webseite der Urban Redevelopment Authority (kurz URA) www.ura.gov.sg. Eine Beispielsuche für Resale-Apartments im District 10 ergibt im Zeitraum Mai 2018 bis Oktober 2018 insgesamt 2045 Ergebnisse. In der nachfolgenden Tabelle sind die ersten Ergebnisse der gesamten Ergebnisliste dargestellt. Nicht, dass ein falscher Eindruck erweckt wird, es ist hier nicht alles Leasehold, sondern auch Freehold. Da Singapur britische Kolonie war, werden hier alle Flächenangaben in Square-Feet angegeben. Ich habe in diesem Fall die Quadratmetereinstellung gewählt, damit niemand umrechnen muss:
Bei der oben angesprochenen Bewertung des Apartments wurden im Valuation-Report (Gutachten) drei Vergleichspreise bzw. drei Vergleichsobjekte herangezogen. Es handelt sich dabei um drei Apartments im selben Gebäude, die im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 bzw. heute verkauft wurden. Eine annähernd genaue Vergleichbarkeit wird durch die sogenannten „Adjustment Factors“(Vergleichsfaktoren) herbeigeführt. Die Vergleichsfaktoren, die fallspezifisch einen Unterschied ausmachen sind Zeit, Wohnungsgröße, Geschoss und Aussicht. Der Faktor Zeit bezieht sich hierbei auf Marktpreisschwankungen zum jeweiligen Verkaufszeitpunkt. In diesem Fall handelt es sich um staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt, die die Verkaufspreise kurzfristig haben schwanken lassen. Die Grunderwerbssteuern für Einheimische für Zweit- und Drittimmobilien und die generelle Grunderwerbssteuer für ausländische Käufer wurden im Juli 2018 erhöht:
Des Weiteren wurde die Beleihungsgrenze für alle Kredite von Finanzinstituten heruntergesetzt, um den Markt abzukühlen und zwar um 5 Prozentpunkte von 80 % auf 75 %. Überdies wurde die Beleihungsgrenze für Kredite mit einer Laufzeit länger als 30 Jahre oder Kreditnehmer über 65 Jahre von 60 % auf 55 % herabgesetzt. Staatliche Finanzierungen betrifft dies jedoch nicht.
Zurück zu den Vergleichsfaktoren. In unserem Bewertungsfall machen jede 5 m2 Flächenunterschied und jedes höhere oder tiefere Geschoss jeweils 1 % Quadratmeterpreisunterschied im direkten Vergleich der Vergleichswohnungen aus. Der Wert bzw. die Prozentpunkte der jeweiligen Vergleichsfaktoren werden hier nicht von den jeweiligen Behörden ermittelt, wie bei uns beispielweise von den Gutachterausschüssen, sondern beruhen auf Erfahrungswerten des Sachverständigen. Schlussendlich wird der aus der Tabelle entnommene Verkaufspreis mit der Summe der Zu- und Abschläge multipliziert, um für jedes Objekt einen „gewichteten“ Vergleichspreis pro Quadratmeter bzw. pro Quadratfuß zu erhalten. Der Verkehrswert des Bewertungsobjektes ergibt sich dann aus dem Durchschnitt der drei gewichteten Vergleichswerte der drei Vergleichsobjekte. Manchmal werden in der jeweiligen Excel-Tabelle für interne Zwecke noch ein paar Vergleichspreise von anderen Gebäuden hinterlegt, die ungefähr das gleiche Baujahr haben, um den Verkehrswert zu stützen. Zur Erinnerung die Ausstattung der Apartments ist beim sozialen Wohnungsbau in den Dekaden jeweils gleich und die Unterschiede zwischen den Dekaden sind auch nicht wahnsinnig groß.
Im fertigen Gutachten bzw. Valuation Report ist dann von dem Vergleich überraschender Weise nicht viel zu sehen. Das Gutachten hat insgesamt 14 Seiten plus Anhang, wobei der eigentliche Fließtext auf Seite 6 losgeht und auf Seite 13 aufhört, netto also 8 Seiten inklusive kleiner Stadtkarte und 6 kleinen Fotos. Das hat meine Neugierde geweckt. Der größte Unterschied zu unseren Gutachten liegt wohl darin, dass die Berechnungen überhaupt nicht dargestellt werden, sondern es wird einfach nur in zwei Sätzen ein Wert mitgeteilt. Der Rest bleibt jeweils Firmengeheimnis. Lediglich die drei ursprünglichen Verkaufspreise der Vergleichsobjekte ohne „Adjustments“ werden dargestellt. Auf meine Nachfrage hin wurde mir gesagt, dass längst nicht jeder die Ausgangsvergleichspreise mitteilt, sondern von vielen Bewertungsfirmen einfach nur der Verkehrswert mitgeteilt wird.
Insgesamt ist das Bewertungskapitel des Apartments im Valuation Report Eineinviertel DIN A4 Seiten lang. Das ist bei uns nun wirklich sehr anders, geht es doch darum, dass ein Gutachten gut geschrieben, transparent und nachvollziehbar sein muss, so dass sogar ein Laie alles versteht und nachvollziehen kann. Nachdem ich Hwee Yan eines von meinen deutschen Gutachten gezeigt und erklärt habe, meinte sie, wir würden viel mehr rechnen. Ich bin gespannt wie es hier wohl bei Gewerbeimmobilien läuft. Mal schauen, was mir in meiner verbleibenden Zeit noch alles begegnet.
Die nächste Überraschung ist für mich die Beleihungswertermittlung. Ich dachte eigentlich, dass ich überwiegend über diese hier in meinem Bericht schreiben werde, hat mich doch die Hypzert „hier her geschickt“, allerdings ist diese in drei Sätzen abgehandelt. Für die Ermittlung des
Beleihungswertes gibt es hier keine eigenständige Verordnung oder anderweitige Regulierungen. In der Praxis wird ein Verkehrswertgutachten geschrieben und am Ende werden vom Verkehrswert entweder 10% oder 15 % abgezogen. Dieser reduzierte Wert wird dann „Forced Sale Value“ genannt und das war es. Sehr kurzes Kapitel, wenn ich überlege, wie lange ich für meine HypZert-Prüfung gelernt habe. Dann frage ich mich doch, warum hier drei Gutachter für die Beleihungswertermittlung arbeiten, wenn am Ende einfach nur 10 % oder 15% vom Verkehrswert abgezogen werden, das ist doch kein Hexenwerk. Für diese Frage warte ich lieber noch ein paar Tage, bis sich das Vertrauensverhältnis intensiviert hat.
Dieses Jahr hat CBRE 60-jähriges Firmenjubiläum und ich habe das große Glück gehabt, an meinem dritten Tag zum großen Jubiläums Company Dinner eingeladen zu werden. Glücklicherweise hatte ich in einer Last Minute Aktion noch ein Kleid in meinen Koffer gepackt, sonst wäre ich aufgeschmissen gewesen. Nicht das es ein Problem gewesen wäre ein Kleid zu kaufen, jedoch sind die Standardkleidergrößen hier einfach erheblich kleiner oder ich einfach zu groß, kommt auf die Betrachtungsweise an. Auf dem Company Dinner im Ballroom des Convention Centers Raffles City angekommen, habe ich noch nie so viele Fotografen und Fun-Foto-Boxen auf einer Firmenfeier oder jeglichem anderen Event gesehen, wie an diesem Abend. Unglaublich. Da es mich interessiert hat, wie es eigentlich kommt, dass Fotos hier so eine immense Bedeutung haben, habe ich Hwee Yan einfach gefragt. Um niemanden zu verletzen, habe ich meine Frage vorsichtig formuliert und von den Asiaten gesprochen, nicht von den Singapurern. Die Antwort, die ich bekommen habe, war:“ Die Japaner sind schlimmer.“ Gut, nehmen wir das so ohne weitere Nachfrage zur Kenntnis.
Glücklicherweise saß der liebe „Bewertungsrentner“ Li Hiaw Ho beim Company Dinner neben mir und hat mir von sich aus vorab Besteck beim Kellner bestellt. Ich wollte zwar mit Stäbchen essen, musste dann aber doch einsehen, dass meine Technik für zehn laufende Gänge zeit technisch noch nicht ausgereift genug war. Danke Li, dass ich an diesem Abend satt geworden bin und ich kein Essen über den Tisch verteilt habe.
Zurück im Büro habe ich mich mit der Hotel-, Datencenter- und Shopping-Center-Bewertung beschäftigt. Bei der Hotelbewertung werden hier drei Verfahren angewendet und zwar die „Capitalisation Analysis“, die „Discounted Cash Flow Analysis“ und eine „Direct Comparision“. Aus den jeweiligen Ergebnissen oder Bandbreiten der drei aufgestellten Verfahren wird dann der Verkehrswert abgeleitet. Zusätzlich wird im Valuation Report für Spezialimmobilien eine ausführliche Marktdatenerhebung von der Research-Abteilung erstellt Bei der Bewertung von Shopping-Centern wird auf die Vergleichswertmethode verzichtet, da sich die Shopping-Center hier in so vielen Faktoren wie beispielsweise in der Ausstattung, im Mietermix, in der Laufzeit der Mietverträge, im Mix der Nutzungsarten innerhalb des Gebäudes derart unterscheiden, dass es unmöglich ist, für alle Unterschiede „Adjustment Faktoren“ aufzustellen. Ein intensiveres Eingehen auf die jeweiligen Verfahren würde den Rahmen des Berichtes an dieser Stelle leider sprengen.
In der Zwischenzeit hat sich auch die Frage nach den drei Beleihungswertermittlern geklärt. Für die Beleihungswertermittlung benötigen sie keine besonderen Fachkenntnisse, sondern sie fungieren als Key Accounts für bestimmte Banken mit einem hohen Auftragsaufkommen. Damit bleibt das Beleihungswertkapitel meines Berichtes sehr kurz. Tut mir leid. Die noch offene Frage nach der Digitalisierung lässt sich auch sehr einfach beantworten. Die Digitalisierung ist hier im direkten Vergleich nicht weiter fortgeschritten. Der Unterschied liegt eher darin, dass die benötigten Daten alle sehr jung sind, 1965 oder weit jünger, und einer zentralisierten und erfassten Organisation aller Bauprojekte durch den Staat. Die Daten werden alle online zur Verfügung gestellt und können direkt als Excel-Tabelle heruntergeladen werden. Daher braucht es wesentlich weniger Papier, welches verarbeitet werden muss und die Auftragsmappen sind erheblich dünner.
Umso länger ich in Singapur unterwegs bin, umso mehr fasziniert mich die Stadt. Ich habe mich noch nirgendwo so sicher gefühlt wie hier. Im Vergleich zu vielen anderen Orten will mir hier niemand etwas verkaufen oder aufschwatzen, es scheint auch niemand Profit aus der Situation schlagen zu wollen, dass ich mich als Europäer hier mit den Preisen nicht auskenne, ich werde überall genauestens und präzise abgerechnet und selbst für meine blaue Augenfarbe scheint sich hier niemand zu interessieren. Alle Menschen sind sehr zurückhaltend und hilfsbereit. Niemand drängt sich auf. Ein Tourist wird hier komplett in Ruhe gelassen, es sei denn er braucht Hilfe. Zudem diese ungewohnte Sauberkeit einer Stadt. Der überaus pflegliche Umgang der Singapurer mit ihrer Umgebung, spornt mich zu weiteren Recherchen an. Ich selber genieße das alles, frage mich aber wie es möglich ist.
In der Broschüre „Leben und Arbeiten in Singapur“ der Schweizer Eidgenossen finde ich folgende Informationen unter dem Punkt besondere rechtliche Bestimmungen. „In Singapur gelten detaillierte Vorschriften zur Wahrung der öffentlichen Ordnung. Sie orientieren sich an strengeren Standards und rigideren Moralvorstellungen als in der Schweiz. Vergehen werden konsequent verfolgt und bestraft. Unter anderem werden folgende Delikte mit zum Teil sehr hohen Bußen (1000 S$ und mehr), Haftstrafen und/oder Stockhieben geahndet:
• Wegwerfen von Abfall (inkl. Zigarettenstummel etc.), Spucken, sowie Einfuhr und Verkauf von Kaugummi.
• Verstoß gegen das Rauchverbot: Bei öffentlichen Gebäuden gilt das Rauchverbot auch bis zu fünf Meter vor den Ein- und Ausgängen.
• Anstößiges oder unsittliches Verhalten (Outrage of Modesty). Darunter fallen verbale oder tätliche Belästigungen von Männern gegenüber Frauen, z.B. Berührung, welcher die Frau nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Auch in Bars und Diskotheken gelten Berührungen als unangemessen und können zu
lagen im Rahmen des Gesetzes über Outrage of odesty führen.
• onsum von Speisen und Getränken in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden. • Vandalismus (u.a. Anbringen von Graffiti).
• Negative Äußerungen über Religionen.
• Füttern von Tauben.
• Überqueren der Straße ohne den Fußgängerstreifen zu benutzen.
Achtung: Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz werden schon bei geringsten Mengen und bei jeder Art von Drogen hart bestraft: Von Geld-, Prügel- und langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe (zum Beispiel bei Besitz von mehr als 15g Heroin). Verurteilt werden auch Personen, wenn ihnen mittels Tests Drogenkonsum nachgewiesen werden kann, selbst wenn diese Drogen im Ausland konsumiert wurden.
Singapur kennt nach wie vor die Todesstrafe für Tötungs-, Drogen- und Feuerwaffendelikte und vollstreckt sie auch an Ausländern. In gewissen Fällen ist die Verhängung der Todesstrafe zwingend, d.h. liegt nicht mehr im Ermessen des Richters. Auch praktiziert wird in Singapur das «Caning», Stockhiebe, für gewisse Delikte. Caning wird allerdings nur bei männlichen Verurteilten angewendet. Während polizeilichen resp. gerichtlichen Untersuchungen oder Verhandlungen dürfen Ausländer in der Regel das Land nicht verlassen und ihr Reisepass wird eingezogen. Die Haftbedingungen sind wesentlich strenger als in der Schweiz. Einfuhrverbote bestehen für:
• Drogen und andere Betäubungsmittel
• Waffen, Munition, Sprengstoffe, kugelsichere Kleidung und Handschellen, Spielzeugwaffen • Produkte von geschützten Tieren und Pflanzen
• Pornografische Artikel
• Snus, Schnupftabak und Kautabak
• Elektronische Zigaretten
• Kaugummi“.
Jetzt wird mir einiges klar. Wie man das ganze nun bewertet ist jedem selbst überlassen, aber ich muss sagen, es funktioniert. Es ist hier super sauber, ich werde komplett in Ruhe gelassen und sehe auch nirgendswo Menschen, die mir ein mulmiges Gefühl übermitteln. Wenn man als Frau alleine unterwegs ist, ist das wirklich toll. Mich wundert es des Weiteren, dass in einer so verdichteten Stadt,
der Straßenverkehr so flüssig läuft, scheinbar sind auch nur Neuwagen ohne Kratzer unterwegs und vor allem keine Diesel. Die Luft hier ist super sauber, kein Anschein von Smog.
Hierzu schreiben die Schweizer Eidgenossen:
„Es herrscht Linksverkehr. Das Straßennetz ist dicht und sehr gut unterhalten. Die öffentlichen Verkehrsmittel (Untergrundbahn/MRT und Busse) sind zuverlässig, bequem und sehr preiswert. Sie bedienen fast jeden Ort in Singapur, sind während den Stoßzeiten aber überfüllt. Auch Taxis (durchwegs klimatisiert) sind günstig. Autofahren in Singapur ist eine teure Angelegenheit. Die Autopreise gehören zu den höchsten der Welt. Bevor ein Fahrzeug eingelöst werden kann, muss ein sogenanntes Certificate of Entitlement (COE) erworben werden. COE’s werden monatlich versteigert, die Preise sind teilweise sehr hoch (40.000 – 75.000 SGD). Zusätzlich sind folgende Abgaben zu entrichten:
• Zoll: 41 % des Wertes
• Mehrwertsteuer: 3 % des Fahrzeugwertes
• Registriergebühr: 1. SGD plus 1 % des Marktwertes
• Straßenverkehrssteuer: je nach Hubraum
Durch die restriktive Abgabe der COE’s und hohe Steuern soll eine übermäßige Zunahme von Straßenfahrzeugen verhindert werden.
Eine weitere Verteuerungsmaßnahme des Straßenverkehrs ist der hochbesteuerte Treibstoff. Eine Betankungsfahrt nach Malaysia ist illegal. Fahrzeuge müssen einen zwei Drittel gefüllten Tank haben, wenn sie die Grenze überqueren, ansonsten droht eine Buße. Die meisten Autobahnen sind gebührenpflichtig, sowie auch jede Fahrt ins Stadtzentrum (Electronic Road Pricing). Vergehen im Straßenverkehr werden streng bestraft (Alkohollimit: 35 Mikrogramm pro 100 Milliliter Atem, 80 Milligramm pro 1 Milliliter Blut).“
Der Umrechnungskurs liegt derzeit bei 0,63, ein Singapur-Dollar (SGD) sind 0,63 Euro wert.
Auch hier wird einem klar, wie sehr das Land bzw. die Stadt staatlich reguliert wird. Das Ergebnis ist jedoch ein flüssiger Straßenverkehr in einer nach und nach immer mehr verdichteten Stadt ohne jeglichen Smog. Trotzdem erinnere ich mich an diesem Punkt gerne an meine Zeit in Italien zurück mit Endlosstaus, immensen Hupkonzerten, lauthals gestikulierenden Autofahrern und das Zurechtschieben von Autos beim Einparken, indem man die Stoßstange des Vorder- und Hintermanns rammt. Hat auch was.
Besonders faszinieren mich jedoch die architektonische Stadtentwicklung und die Stadtplanung. Die Stadt ist so besonders grün und es gibt so viele interessante Bauten mit integrierten Grünanlagen, wie ich es noch nirgendswo gesehen habe.
Für alle Architekturinteressierten hänge ich diesbezüglich einen Link eines Artikels der Neuen Zürcher Zeitung aus dem Jahr 2013 an:
https://www.nzz.ch/fliegende-schiffe-und-haengende-gaerten-1.18043170
Es ist übrigens purer Zufall, dass bei Links zu Schweizer Webseiten führen und hat nichts mit persönlichen Präferenzen zu tun.
Singapur hat innerhalb von drei Jahrzehnten nach seiner Unabhängigkeit in den 1960er Jahren eine unglaubliche Entwicklung von einer heruntergekommenen Hafenstadt zu einer „Hot-Spot-Metropole“ hingelegt. Die Frage wie so etwas geht, hat mich ebenfalls veranlasst, das Thema näher zu beleuchten und zu recherchieren. Hierzu habe ich eine wissenschaftliche Ausarbeitung über die wirtschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel Singapurs zur Vorbereitung einer Studienreise der Uni Hannover aus dem Jahr 2003 gefunden, die auf den ersten Seiten viele interessante
Informationen zu dem Thema liefert und gut ausgearbeitet ist.
https://www.wigeo.uni- hannover.de/fileadmin/wigeo/Geographie/Studium/Lehre/Berichte/malaysia_singapore/5_referat.p df
Am wichtigsten ist den Singapurern jedoch das Essen. Das hätte ich so gar nicht erwartet. Dass das Angebot hier riesig ist und sehr viele Länderküchen beinhaltet vielleicht schon, da hier ja so viele verschiedene Kulturen zusammenkommen, aber das dies das wichtigste Lebensthema ist, wiederum nicht. Und wie könnte es auch anders sein, als dass von jedem Teller oder Suppenschüssel erst
einmal ein Foto gemacht wird, bevor man mit dem Essen beginnt. Nach vier Tagen hatte auch ich das verstanden und habe angefangen, Hwee Yan ein Foto von jeder meiner Mahlzeiten zu schicken, sogar am Wochenende. Sie war übrigens mehr als begeistert davon, dass ich gerne esse und gerne Dinge probiere. Von 15 Mittagspausen haben wir mindestens 13 miteinander verbracht und uns die Bäuche mit allem Möglichen voll gehauen. Da ich längst nicht alles identifizieren konnte, habe ich mir vorgenommen immer erst am nächsten Tag zu recherchieren, was ich gegessen habe, erst nachdem alles bereits verdaut ist. Das schien mir das Schlaueste. Hwee Yan hat mir zwar immer alles auf Englisch erklärt, jedoch kannte ich davon die meisten Wörter nicht, weil ich in noch keinem englischsprachigen Land irgendwelche nicht identifizierbaren Zutaten gegessen habe. Somit habe ich immer brav genickt und gegessen. Von Hai bis Krebshoden über irgendwas vom Frosch und über Monate konservierte chinesische Eier, die eine Delikatesse sein sollen war alles dabei, aber glücklicherweise keine Schlange, Hund oder Katze, Spinnen oder Insekten, glaube ich zumindest. So was habe ich hier „bewusst“ auch nirgendwo gesehen. Lassen wir mich also bitte in diesem Glauben.
In meiner Freizeit habe ich hier sehr viel unternommen und war viel unterwegs, vom Marina Bay Sands Hotel, über verschiedene Museen, Zoo, Nachtsafari, Aquarium auf Sentosa Island, Super-Trees in den Gardens by the Bay, Flower Dome, Cloud Forest, Chinatown, Little India, Kampong Glam, viele Tempel und Moscheen, Laser Shows, Food Courts und Hawker Centers, Clarke Quay, botanischer Garten, Orchard Road nur um einige Dinge zu nennen. Singapur ist eine sehr sehenswerte Stadt und ein Besuch hier ist wirklich eine Reise wert.
Heute ist tatsächlich nun schon mein letzter Bürotag. Ich weiß gar nicht, wo die ganze Zeit geblieben ist. Es war vor allem eine spannende Zeit mit vielen tollen und vor allem interessanten Erlebnissen und Erfahrungen. Ein Land gleichzeitig aus beruflicher Perspektive als auch als Tourist erleben zu dürfen ist wirklich besonders. Wer von Euch jemals die Möglichkeit dazu haben wird, sollte diese unbedingt Wahrnehmen. Die gesamte Valuation Abteilung von CBRE Singapore schickt Grüße an Euch Kollegen in Deutschland. Danke HypZert für diese einmaligen Erfahrungen!!!